Plattdüütsch - die zweite Sprache unserer Heimat

Bilder & Berichte

Plattdüütsch leevt

Munsteraner Plattsnacker - die Anfänge

 

„Plattdüütsch leevt“ - nach diesem Motto rief  im Jahre 2006 der Kultur- und Heimatverein Munster e.V. den zunächst „Plattdeutscher Gesprächskreis“ genannten Arbeitskreis der heutigen "Munsteraner Plattsnacker" ins Leben.

 

Anlass war eine Anfrage des „Forum Plattdüütsch“ im Landkreis Soltau-Fallingbostel (heute Landkreis Heidekreis) , der festgestellt hatte, dass der Ort Munster bezüglich der Niederdeutschen Sprache einen weißen Fleck auf der Landkarte darstellte.

 

In sehr vielen Ortschaften im Landkreis wirkten bereits seit einigen Jahren Vereinigungen, welche die vom Aussterben bedrohte "plattdeutsche" oder auch "niederdeutsch" genannte Sprache pflegten.

 

 Die Niederdeutsche Sprache gibt es nur im Norden unserer Republik.

Durch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 05.11.1992 – in Deutschland am 01.01.1999  in Kraft gesetzt – ist sie als eine eigene Sprache geschützt und anerkannt.

 

Sprache ist nicht zu verwechseln mit Mundart oder Dialekt. Das Plattdeutsche Idiom kennt seinerseits etliche Dialekte, die sich zum Teil sehr stark voneinander unterscheiden.  Das zeigt ein sehr altes Beispiel: "Ännchen von Tharau"  heißt in

samländisch-niederdeutsch "Anke van Tharaw" ...

 

Durch einen Aufruf  noch im Jahr 2006 kamen ca. 25 Personen zusammen und gründeten den „Plattdüütschen Kring“  (Plattdeutscher Gesprächskreis). Dieser Kreis, mit dem heutigen Namen „Munsteraner Plattsnacker“, trifft sich jeden 1. Montag im Monat (bei einem Feiertag am 2. Montag) im „Heimathaus Ollershof“.

Es wird geklönt, es wird gesungen und es werden Geschichten erzählt.

 

Jeder, der plattdüütsch snacken mag, ist herzlich willkommen und eingeladen.

 


Klönschnack im Ollershof                                                               Ständchen am Marktplatz


Plattdüütsch as Spraak

Ende April: Drei Männer, ein Thema und ein inhaltsreiches Treffen im Restaurant "Zur Wassermühle" - Ist Plattdüütsch nur noch eine Sprache für alte Leute, gar eine aussterbende Sprache? Hat dieses Kontinuum westgermanischer Dialekte in Zeiten permanenter Zuwanderung überhaupt noch eine Zukunft?

 

Günter Sturm, Winfried Przibilla und Achim Landherr  begreifen die "Niederdeutsche Sprache", deren Eigenbezeichnungen Plattdüütsch, Plattdütsch, Plattdütsk, Platt düütsk, Plattduitsk usw. lauten, keinesfalls als nur zur Sprache erhobenen Dialekt.

"Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache erst an", konstatierte einst der deutsche Dichter Christian Morgenstern.
Anders gewendet: Dialekt entsteht unter kleinen Gruppen, vor allem in Dorfgemeinschaften, und wechselt somit schnell in kleinen geographischen Bereichen seine Ausdrucksform. Für Sprecher und Sprecherinnen der jeweils vorherrschenden Dialektvariante ist diese Sprache dann vor allem ein Ausdruck der Zugehörigkeit - wer anders spricht, gehört "nicht dazu". Das hat nichts mit Abgrenzung, Ausgrenzung oder Eigenbrötelei zu tun - es wird ebenso zu einem Identifikationsmerkmal wie der Name eines Menschen...

Der Einfluss der Dialekte im Kontinuum einer Sprache - und besonders der Niederdeutschen Sprache - ist in unserer deutschen Hoch- oder Schriftsprache unübersehbar. Allerdings wissen nur wenige Zeitgenossen beim Gebrauch bestimmter Wörter und Begriffe, dass sie sich hier aus dem Fundus eines Dialekts bedienen...

 

Die drei Männer möchten über die Website des Kultur- und Heimatvereins die Bedeutung des Platt, wie diese Sprache in ihrer Kurzform genannt wird, dieser alten Sprache, die vor etwa 2000 Jahren, um die Geburt Christi herum, entstand, einem größeren Publikum vermitteln.

Dafür hat die Webseite des Vereins eine eigene Sparte: "Plattsnacker".


 

Ännchen von Tharau

Ännchen Tharau ist eine historisch verbürgte Person aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Sie wurde 1615 unter dem Namen Anna Neander als Tochter des evangelischen Pastors Martin Neander in Tharau geboren. Beide Eltern starben 1629 im Krieg;  sie lebte fortan bei einem Onkel in Königsberg. Ihre Heirat im Jahr 1636 bewog den Dichter und späteren Rektor der Universität Königsberg, Simon Dach, zu seinem einzigen Lied in niederdeutscher Sprache, "Ännchen von Tharau", samländisch-niederdeutsch "Anke van Tharaw".

Der ebenfalls aus Ostpreußen stammende Dichter Johann Gottfried Herder übersetzte später den Text ins damalige Standarddeutsch, in dem er  1778 das 17 Strophen umfassende Gedicht in seinem Werk "Volkslieder" veröffentlichte. Dachs  Gedicht wurde mehrfach vertont. 1827 komponierte Friedrich Silcher  in Tübingen die heute allgemein bekannten Melodie.  Mit der Übersetzung 1845 durch den amerikanischen Dichter Henry Wadsworth Longfellow schaffte es das Gedicht ins Englische (Annie of Tharaw).

Das Lied gehörte bis in die 1960er Jahre zum Standardrepertoire nahezu jeden deutschen Männergesangsvereins, heute ist es beinahe vergessen - oder ein Geheimtipp, wenn man Hannes Waders Version von 1990 im heutigen Deutsch oder Michaelneiss in der original samländischen Mundart (bei youtube) anhört ...

 

 

Ännchen von Tharau

Text: Simon Dach (1636), Johann Gottfried von Herder (1825)

Melodie: Friedrich Silcher (1778)

Anke van Tharaw

Anke van Tharaw öß, de my geföllt,
Se öß mihn Lewen, mihn Goet on mihn Gölt.

Anke van Tharaw heft wedder eer Hart
Op my geröchtet ön Löw’ on ön Schmart.

Anke van Tharaw mihn Rihkdom, min Goet,
Du mihne Seele, mihn Fleesch on mihn Bloet.

Quöm’ allet Wedder glihk ön ons tho schlahn,
Wy syn gesönnt by een anger tho stahn.

Kranckheit, Verfälgung, Bedröfnös on Pihn,
Sal unsrer Löve Vernöttinge syn.

Recht as een Palmen-Bohm äver söck stöcht,
Je mehr en Hagel on Regen anföcht.

So wardt de Löw’ ön onß mächtich on groht,
Dörch Kryhtz, dörch Lyden, dörch allerley Noht.

Wördest du glihk een mahl van my getrennt,
Leedest dar, wor öm dee Sönne kuhmt kennt;

Eck wöll dy fälgen dörch Wölder, dörch Mär,
Dörch Yhß, dörch Ihsen, dörch fihndlöcket Hähr.

Anke van Tharaw, mihn Licht, mihn Sönn,
Mihn Leven schluht öck ön dihnet henönn.

Wat öck geböde, wart van dy gedahn,
Wat öck verböde, dat lätstu my stahn.

Wat heft de Löve däch ver een Bestand,
Wor nich een Hart öß, een Mund, eene Hand?

Wor öm söck hartaget, kabbelt on schleyht,
On glihk den Hungen on Katten begeyht.

Anke van Tharaw dat war wy nich dohn,
Du böst mihn Dühfken my Schahpken mihn Hohn.

Wat öck begehre, begehrest du ohck,
Eck laht den Rack dy, du lätst my de Brohk.

Dit öß dat, Anke, du söteste Ruh’
Een Lihf on Seele wart uht öck on Du.

Dit mahckt dat Lewen tom Hämmlischen Rihk,
Dörch Zancken wart et der Hellen gelihk.

Ännchen von Tharau

Ännchen von Tharau ist's, die mir gefällt,
Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.

Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz
Auf mich gerichtet in Lieb' und in Schmerz.

Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!

 

Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,
Wir sind gesinnet bei einander zu stahn.

Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein
Soll unsrer Liebe Verknotigung seyn.

Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,
Hat ihn erst Regen und Sturmwind gebeugt.

So wird die Lieb' in uns mächtig und groß
Nach manchem Leiden und traurigem Los.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt,
Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt;

Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Durch Eis, durch Kerker, durch feindliches Heer.

Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
Mein Leben schließ' ich um deines herum.

Was ich gebiete, wird von dir getan,

Was ich verbiete, das lässt du mir stahn.

Was hat die Liebe doch für ein Bestand,
Wo nicht ein Herz ist, ein Mund, eine Hand?

Wo man sich peiniget, zanket und schlägt,
Und gleich den Hunden und Katzen beträgt?

Ännchen von Tharau, das woll'n wir nicht tun;
Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.

Was ich begehre, ist lieb dir und gut;

Ich lass den Rock dir, du lässt mir den Hut!

Dies ist uns Ännchen die süsseste Ruh,
Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du.

Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,
Durch Zanken wird es der Hölle gleich.


Quellen:                Wikisource                                                                              Die Liederkiste


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